Mittwoch, 21. Dezember 2011
Vor dem Aufbruch
Samstag, 17. Dezember 2011
Steppenmorgen
Montag, 31. Mai 2010
(K)einer räumt auf
Die S-Bahntüren gehen auf und er steigt aus. Deutsch hört sich wieder normal an, die neue Wohnung ist gestrichen und eingeräumt. „Einsteigen bitte... Zuuuurückbleiben bitte.“ Das Signal ertönt, aber er ist schon auf der Brücke zum Ausgang Georgenstraße. Auf dem Weg seine Koordinatorin zu treffen um alles zu richten. Das Praktikum ist vorbei, die Credits verdient, das muss jetzt alles in die richtigen Formulare eingetragen werden. Die schwere Tür am Haupteingang öffnet automatisch, das ist neu und auch das Foyer sieht anders aus. Die Wände neu gestrichen, das Marmor auf Hochglanz poliert, das macht schon Eindruck. Die Treppen hoch und die Gesichter der Nobels schauen wieder auf ihn herab. Daran hat sich nichts geändert, nur die Rahmen sind jetzt golden und nicht mehr weiss. In den Seitenfluren hat sich aber nichts verändert, es riecht immernoch nach DDR-Muff und alten Büchern, von der Decke bröckelt die Farbe, wenn man nicht aupasst bekommt man ab und zu eine Flocke ab und das ist schlimmer als Kreidestaub. Vor der Tür stehen zwei Leute, die warten eingelassen zu werden, er hat einen Termin, aber das interessiert hier niemanden. Auf den Ohren Lexy and K-Paul, setzt er sich auf die Treppe und wartet. Wenigstens fragen die Kommilitonen (lange nicht benutzt das Wort) ob man darauf wartet Frau Olbert zu sehen. Dann nach gefühlten zwei Stunden öffnet sich die Tür (Jean Jaque Smoothie auf dem Ipod) und Frau Olbert bittet ihn herein.
„Der verlorene Sohn kehrt heim, wie?“
„Ja, kann man so sagen.“
„Ihr Superviser hat erzählt, sie haben da in ihren letzten Tagen einen ziemlichen Aufruhr veranstaltet. Ist es denn wirklich so schlimm hier?“
„Nein, das nicht, aber dort war es halt doch besser. Persönlicher.“
„Ach so, das kann ich verstehen. An ihrer Stelle hätte ich warscheinlich genauso gehandelt. Aber sie wissen ja wie das damals war zu DDR Zeiten. War ja schon ein Unding, wenn man Amerikanistik studiert hat. Sie sollten froh sein, dass sie überhaupt rüber durften.“
Frau Olbert fängt immer mit DDR Geschichten an, egal worum es geht.
„Was haben sie denn heute für mich?“
„Ich hab meinen Abschlussbericht vom College dabei, mein Transcript und die Hausarbeiten, soweit sie korrigiert verfügbar waren.“
„Sehr gut, zeigen sie mal.“
Eine halbe Stunde später ist alles besprochen. Er ist wieder Student der Humboldt Universität. „Die Credits werden dann übertragen, machen sie sich keine Sorgen, das bekommen wir schon hin. Aber hier können sie sich solche Spirenzchen wie in Grinnell nicht erlauben.“
„Würde ja sicherlich auch nicht den selben Effekt haben.“
„Ach, sagen sie das nicht, Andreas. Wir sind immer noch im Osten“
„Ja...“
„Also, dann vergessen sie mal nicht sich für ihre Kurse anzumelden und kommen sie in zwei Wochen nochmal, damit wir über den Praktikumsbericht reden können.“
„Gut, mach ich.“
Dann schließt er die Tür hinter sich. Auf dem Flur setzt er die Kopfhörer (Marke Elecom) wieder auf, die alte Routine ist wieder da. Nichts hören und nichts sagen. Das Sehen lässt sich beim Laufen meist nicht vermeiden. Wieder den Gang hinunter und in die Mensa. Die Mensa haben sie auch renoviert, als er im Dezember da war stand noch ein Ersatzbau auf dem Rasen mitten auf dem Hinterhof, wo jetzt nur kahle Erde ist. Die Mensacard funktioniert noch und es reicht sogar für eine Schüssel Milchreis. Die Aufmachung ist neu, aber der Inhalt ist immernoch der selbe Dreck. An den Tischen sitzen sie, die Berliner Neohippies, die sich für das erkorene Geschlecht halten, am Ende aber doch irgendwo in Büros oder Schlimmerem enden werden. An einem Tisch am Ende sitzt Kemp, wenigstens der ist geblieben. Er winkt ihm zu und dann wird der Fraß konsumiert, wie Kemp das ausdrückt.
„Hast mir ja gar nich bescheid gesagt, dass du wieder da bist.“
„Sorry, hatte ne Menge Scheiß zu erledigen.“
„Haste schon ne Bude?“
„Nee, keine Kohle. Muss jetz bei meiner Mutter wohnen.“
„Ach du Scheiße. Und das geht?“
„Muss ja.“
„Uh huh. Und bleibst du jetz oder wie?“
„Muss ja. Hat am Ende ja alles nichts geholfen.“
„Nee, hab schon gehört, auf Facebook und so. Was haben sie dir denn gesagt?“
„Gar nichts haben sie gesagt, die Ficker. Der Präsident hat mich 5 Tage vor Abflug in sein Büro bestellt und mir groß Hoffnungen gemacht, dass ich als erster nachrücke, dass ich ganz oben in der Liste stehe, weil ich ja n toller Hengst bin, gute Noten, engagiert und so, aber nix.“
„Und das Ding mit den Unterschriften?“
„Waste of Time Digger. Den halben Campus hab ich mobilisiert, die Nächte nur drei Stunden geschlafen um neue Dinger zu organisieren, 800 Unterschriften alleine von Studenten und dann noch mal 100 von Profs und die Wichser im Admissions Office nehmen mir die Unterschriften ab und sagen: ‚We’ll look into it.’ N Scheiss haben die gemacht.“
„Despoten, mehr nicht.“
„Hab ich auch gesagt. Was is das für n Scheißladen, wenn die die Meinung eines Großteils der Studenten und so weiter einfach ignorieren?“
„Despotenscheißladen.“
„Jau. Haste Bock einen trinken zu gehn?“
„Schon. Haste Geld?“
„Seh ich so aus?“
„Nö. Also nich saufen?“
„Doch doch. Lass ma zur Alkopole gehn. Der Schriftsteller der da war hat für die irgendwas geschrieben und dafür so ne Bierkarte bekommen mit der er unbegrenzt bei denen saufen kann. Er is nich so oft in Berlin hat er gesagt und sie mir gegeben.“
„Geile Sache. Los gehts. Vollen Magen haben wir ja.“
„Eben. Sieht die Kotze nachher lustig aus. Bei dir Fleischbrei, bei mir Milchreis mit Biersauce und Kirschstücken.“
Sie lachen laut, damit es das allgemeine Gelaber in der Mensa übertönt und gehen. Die Teller lassen sie stehen. Die Alkopole in der Friedrichstaße gibt es noch, in der hintersten Ecke und immernoch die seltsamsten Gestalten darin, aber rauchen darf man hier entgültig nicht mehr. Bei den Zigarettenpreisen auch nicht rentabel. Und die Zigaretten, sie seine Mutter ihm gestopft hat, würde auch nur noch ein verzweifelter Fremdenlegionär rauchen.
„Zwei Bier für die Männer von der Irrenanstalt!“, grölt er als sie sich an ein kleines Tischchen setzen.
„Kommt sofort Bürschchen.“
„So und was is jetz mit der Polin?“, fragt Kemp.
„Welcher?“
„Wie welcher? Hast du ne ganze Batterie oder was?“
„Sozusagen. Von der hier hab ich noch nix wieder gehört und die von drüben.. Naja, was soll da sein, die seh ich nich wieder. Ich fahr doch nich nach Warschau um da den Pakt zu erfüllen.“
„Und warum kommt sie nich?“
„Auch keine Kohle. Die is froh, dass das College ihr alles bezahlt. Is doch mal so“, das Bier kommt an, sie stoßen an und nehmen tiefe Hübe, „Für alles is Geld da, nur für nen armen Schlucker aus dem reichen Deutschland nich. Raffen die doch nich, dass das reichste Land der EU Leute hat, die nich wissen was sie morgen fressen sollen.“
„Na wenigstens haste immer Bier zu saufen. Die Leber bedankt sich.“
„Jau. Und bei dir? Was is mit Carole?“
„Nix is mit der. Ich brings nich fertig ihr das ins Gesicht zu sagen und sie raffts auch nicht. Mittlerweile hat sie auch n Typen, da nehm ich mein Eisen eh aus dem Feuer.“
„Richtig so. Bringt nur Ärger.“
Zwei Stunden später, es geht ans Bezahlen.
„Macht dann fünfundzwanzig dreiundsiebzig Meister.“
Er kramt in seinem Portemonnaie und endlich kommt die Karte zum Vorschein. Er gibt sie dem Wirt.
„Was das denn?“ fragt er.
„Na die Flatrate Karte von eurem Verein.“ stammelt er.
„Noch nie gesehn. Akzeptier ich nich.“
„Wie, akzeptier ich nich? Willst du mich verarschen?“
„Bleib ruhig Mann.“ flüstert ihm Kemp ins Ohr.
„Scheiß auf ruhig bleiben! Ich bin schon viel zu lange ruhig geblieben. Ich hab die Schnauze langsam voll vom verarscht werden. Das is ne Scheiß Flatrate Karte Mann, die ich bekommen hab weil ich nen Scheiß Artikel für ne Scheiß Anthologie für euern Laden geschrieben habe und ihr mich nich bezahlen konntet. Also zieh das Ding durch deine Maschine wie ne Kreditkarte und gut is!“
Zack, ein reißender Schmerz in der Wange und die Umgebung erhebt sich. Dumpfer Aufprall auf dem Hinterkopf, blutiger Geschmack im vorderen Rachenraum. Einen Moment liegt er regungslos da, bleibt liegen. Er hört die Kasse klimpern.
„Nimm den Kassenbon.“, sagt er zu Kemp.
Dann bewegt sich die Umgebung wieder kurz. Einen Moment lang bewegt sich gar nichts mehr und er sieht Paulas Brille auf dem Schreibtisch im German House neben ihren Pillen liegen. „Are you okay?“ fragt sie ihn. Er dreht sich um und sie liegt im Bett und liest. Wie macht sie das ohne Brille, fragt er sich. „Yeah sure, everything is fine. Why?“ , „Well you just bumped your head on the desk.“ , „Did I?” , „Yes, you did. Maybe that’s why no one understands you Germans, it’s because you bumped your heads on your desks one time too often.”
„Don’t be ridiculous.“
„Was meinst du ‚Don’t be ridiculous?’ Alter du hast da drin grad ne ziemliche Szene abgezogen!“
Er öffnet die Augen und erkennt die Umgebung. Rossmann gegenüber, daneben über einem Schuhladen das Finnland Institut, allerdings nicht von der Humboldt.
„Ich hab einfach die Schnauze voll. Hast du den Kassenbon?“
„Ja, wieso?“
„Und die Karte?“
„Ja, hat er hinterhergeworfen. Wieso?“
„Weil ich da anrufe und frage, was die Scheiße soll. Danke, dass du bezahlt hast.“
„Logisch. Komm wir gehn nach hause.“
„Und wo soll das bitteschön sein?“ Er ist wieder auf den Füßen, die Trunkenheit lockert Zunge und Gefühle.
„Heut Nacht bei mir.“
Er kotzt auf den Bordstein. „Siehst du? Milchreis mit Biersauce.“ Und lacht.
„Jaja, der Fleischbrei bleibt aber drinnen.“
„Sagst du jetzt!“
Der nächste morgen beginnt mit Kopfschmerzen und Harndrang auf einer Couch in Neukölln. An der Wand über der Couch ein Bild aus Anatolien mit nostalgischem Motiv und dem Hochzeitsbild von Kemps Bruder und dessen Frau. Es ist schon hell, aber die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Im Zimmer sind mindestens 30 Grad, es wird ein heisser Tag.
Auf dem Balkon eine von Mutters gestopften Zigaretten. Am Ende ist er ja doch nur Fremdenlegionär. Und ein schlechter noch dazu. Das Maul müsste man mal aufreissen wenns drauf ankommt und nicht nur immer fein nicken. Fressen polieren und nicht nur shake hands. Aus Fehlern lernt man.
Aber erst wenns zu spät ist.
Samstag, 8. Mai 2010
Waking in the Tube
Ursprüngliche Veröffentlichung: 24.4.2009
Samstag, 24. April 2010
The Rabbit Catcher
hard - stopping sounds
-Effected Places one has once been close to.
While serpents colonize the sky.
Down on earth the ladies cry
And winter bottoms people's hearts
Down to the core of sanity.
Whereas everyone agrees to find
Lilies on the fields of humble
Stumbling line by line through
A day of hard nonwork.
"Copy them!", the serpents shout
And heard no one claiming
The land, where birds used to be
Native inhabitants, now escaping.
The scene crouching into the water,
Where it all began, what they couldn't
Remember. Breathing wet air in
The cold light of the absent day.
She'll do something crazy, thought he
Who holds the crow's feather in his hands,
Scribbled it down on pergamento.
If only he could have seen this.
He would have stopped the polishment
And grabbed his controllable volcano.
Would have burned, the crow is sure,
The fur in its hole and
Serpents copied what they shout,
Heard on squares all over Thuringia
And bells rang, horrible tremolo
Like a requiem for furs.
Ursprüngliche Veröffentlichung: 2.2.2009
Donnerstag, 22. April 2010
Seminar Projektor
Montag, 19. April 2010
Weißes Treiben
Der Marmor macht da keinen Unterschied
Ob sie dort liegen oder nicht ist für ihn unerheblich
Die Fläche bleibt am Ende weiss.
Doch warum fallen sie, wenn sie nicht bleiben können?
Sie haben keine Wahl, denn grauweiße Mütter
Gebären sie, speien sie in freien, gedämpften Fall hinaus
Sie können nicht fliehn, sich nicht befrein.
Der Vater, jener hochgedrückte Unsichtbare
Schwängerte sein grauweißes Weib und pflanzte
Seine Saat in ihren permeablen Leib
In dem sie wuchsen bis zum Fall.
Eh sie erwachen durch die tiefdrückende Hebamme
Finden sie sich schon auf ihrem Weg
Den sie zu gehen haben, per Amendement
Wissen nicht wieso, noch wohin.
Und auch wenn der weiße Marmor sie verschmäht
So muss er, geschlagen von der Amme
Zuletzt doch die Kinder unbekannten Weibes empfangen
Kann sie nicht alle schmelzen, wie er will.
Denn noch im Tod, durch die Hilfe ihrer Amme
Verbünden und verbrüdern sich die
Weißen Zackenkinder nun ohne Form
Und werden fest und glatt und kalt.
Und bieten so ihren Brüdern und Schwestern
Bettstatt und Wiege und Lebensraum
Und dankbar sammeln sich sich auf ihren
Unkenntlichen Schwestern und betten sich zur Ruh.
Sie bleichen so, was ohnehin schon weiss
Gewesen ist, der weisse Stiefvater erhält einen
Kalten weißen Pelz, der ihn nicht wärmt und
Dennoch nicht erfrieren lässt, weil er nicht lebt.
So kann er nicht erfrieren sondern ruhig liegen
Schicht über Schicht, Kind über Kind sammelt sich so
Sie reichen sich die spitzen scharfen Hände
Sind Heerscharen ohne Kampfgewalt.
Sie liegen dort für lange Zeit, sie leben kaum
Werden getreten, enger zusammengedrückt, geworfen
In Ecken gekehrt um dort zu warten
Und wissen nicht auf was.
Und schließlich kommen Vater und Mutter
Und ihre zweifelhafte Liebe senkt sich hernieder
Ihre Kinder fühlen Wärme kaum gekannt
Und die unten erinnern sich, die kennen das.
Doch es kommt anders, auch oben verbrüdern sich welche
Von Schicht zu Schicht beginnt das Sterben, senkt sich
Zum Grund herab, wo der weiße stiefväterliche Marmor
Des Himmels Weißgrau scheinen sieht.
Und schließlich, sie sind alle tot
Die auf dem Marmor, in den Ecken
Holen Vater und Mutter zurück
In ihren Schoß, an ihre Brust.
Ach nie hatten sie Gewalt
Sie kannten weder Weg noch Ziel
Sie trieben, wurden getrieben
Von Mutter, Vater, Amme und den namenlosen Anderen.
Es geht den Kindern weißgrauer Mütter
Nicht besser als die Kindern derer, die kehren
Wie die einen kehren, sind die anderen Gekehrte
Übernehmen ihre Rollen, die Andere bestimmen.