Samstag, 17. Dezember 2011

Steppenmorgen

Als die Sonne über die Berge im Osten kletterte, eine Zinne nach der anderen erklomm, füllte sich die Steppe langsam mit ihrem roten Licht, dem das fahle Blau des Morgengrauens wich. Vereinzelte Dunstwolken waren noch am Himmel, aber die Sonnenstrahlen, deren Wärme alles durchdrang, begannen bereits eifrig damit, sie aufzulösen. Es verschwanden auch die kristallenen Eisblumen, die sich auf den dörren, grauen Steppengräsern gebildet hatten und ihnen eine Spur von Schönheit verliehen, die sie erst Monate später im Frühjahr wirklich zeigen würden, wenn die vielen verschiedenen blühenden Gräser die Ebene für ein paar Wochen in eine blühende, duftende Landschaft verwandeln würden. Jetzt jedoch waren die Blüten aus Eis der einzige Hinweis auf die schlafende Schönheit der in der Erde ruhenden Samen, dieses andere Gesicht der öden Ebene. Es dauerte nicht lange und der weiße Schimmer war völlig von den langen, dörren Halmen verschwunden und das rote Licht wich abermals dem grellen Weiss des Tageslichts, die Ebene war wieder grau und braun.

Auch in dem Zelt, das mit seinen orangenen Planen weithin sichtbar die Ordnung, die hier herrschte unterbrach, regte sich langsam etwas und nach einer kurzen Weile, war das leise Geräusch eines Reißverschlusses zu hören. Ein junger Mann, 27 Jahre alt, kroch aus dem Zelt und zog sich die Schuhe, die er zum Schutz vor jenen Wesen, die die Geborgenheit dunkler, feuchter Plätze suchen, über eine Zeltstange gehangen hatte an, ansonsten trug er nur ein T-Shirt und Unterhose.

Björn wachte normalerweise als Erster auf. Er nutzte diese Zeit auch heute, wie schon die Wochen zuvor dazu, sich die Zähne zu putzen und sich zu waschen, je nachdem welche Art Wäsche die Kapazitäten des Wasserkanisters zuließen.Normalerweise bedeutete das, den Waschlappen nass zu machen und sich unter den Armen und zwischen den Beinen gründlich abzureiben. Rasiert hatte er sich nicht mehr, seit er einige Wochen zuvor an einem Hang gestolpert und herab gerutscht war. Der Spiegel war aus dem Rucksack gefallen und zerbrochen, in die Scheide des Rasiermessers war Sand geraten. Hatte man einmal Sand in der Scheide, war es ohne die nötige Expertise und das entsprechende Werkzeug unmöglich, allen Sand herauszubekommen, geschweige denn, das vom Sand stumpfe Messer wieder scharf.

Glücklicherweise war das der einzige Schaden gewesen, der ihnen bei dieser Episode widerfahren war. Ein paar Schrammen und der Schrecken in den Knochen, mehr nicht.

Da sein Bartwuchs aber ohnehin eher spärlich war, das Kinn weiß, darunter schwarz und die Koteletten in ihrer Form wie die Grasfetzen der Steppe die sie durchquerten. Da sie aber allein waren, nahm niemand Anstoß an ihrem verwilderten Aussehen.

Nachdem die kurze Toilette erledigt war, sammelte er Hölzer und Gras, was er eben finden konnte, und machte ein kleines Feuer, das ausreichen würde um zwei Tassen Kaffee zu kochen. Zwei Tassen Kaffee, etwas Knäckebrot, etwas von dem Käse, der noch übrig war und Beef Jerky waren das Frühstück, das sie jeden Morgen zu sich nahmen, seit sie die Grenze überschritten hatten. Manchmal stellte Björn noch abends eine Falle auf, aber nur selten fielen die Tiere auf die Falle herein. sie kannten Menschen nicht und gaben sich nur selten ihrer Neugier hin um die Menschen vorsichtig zu untersuchen. Noch seltener wagten sie es den Köder zu befühlen, der festhalten und töten sollte.

Nachdem er das Feuer entzündet hatte und die Tassen hineingestellt hatte, ging er los um die Falle einzusammeln, vielleicht würden sie in der nächsten Nacht mehr Glück haben. Zu seiner Überraschung war aber ein Kaninchen auf den Trick hereingefallen, offenbar war der Geruch von Knäckebrot dieses Mal genug gewesen um die Neugier siegen zu lassen. Er war dankbar dafür, dass der stählerne Bogen mit den scharfen Zähnen ihm die Aufgabe abnahm, den Opfern in der Falle das Genick zu brechen und sie zu töten.

Einmal war ihnen ein Fuchs in die Falle gegangen und war nicht durch das Schnappen der Zähne verendet. Sein Genick war gebrochen gewesen, aber er hing noch immer an seinem leben und knurrte bedrohlich, als Björn sich näherte. Es war seltsam gewesen, wie der graurote Fuchs da gelegen hatte und ihn wütend anknurrte, wie jeder Fuchs, der von seinem Jäger in die Ecke gedrängt wird und sich für Angriff oder Verteidigung bereit macht. Aber er konnte nicht mehr angreifen und da lag die Eigenart des Augenblicks. Alles, was er konnte, war zu versuchen Björn einzuschüchtern. Ein Moment des Angriffs, ohne die geringste Möglichkeit es zu tun. Er hatte Thorsten geweckt, weil er nicht wusste, was er tun sollte. Nachdem sie eine Weile über dem verängstigt schnaufendem Tier gestanden hatten, war Thorsten ein Stück weg in die Steppe hinein gegangen und kurz darauf mit einem Stein, etwa so groß wie ein Laib Brot wiedergekommen. Er hatte ihn dann über seinen Kopf gehoben und den Schädel des Fuchses zerschmettert.

Er befreite das Kaninchen nun aus der Falle, säuberte die Falle mit Gras und verstaute sie wieder in seiner Umhängetasche. Zurück am Feuer, machte er sich daran, das Kaninchen zu häuten. Auch wenn sie selten tatsächlich etwas fingen, hatte er doch mittlerweile Übung darin, wie es anzustellen war und es dauerte nicht lange, bis das Tier ganz nackt war. Er öffnete den Bauchraum und entnahm vorsichtig die Organe um sie nicht zu verletzen und so das Fleisch zu verderben. Auch die Augen schnitt er dem Kaninchen aus, er mochte den vorwurfsvollen Blick in den Augen ihrer Opfer nicht. Schließlich wusch er das Tier mit so wenig Wasser wie möglich, salzte es von innen und aussen, spießte es auf einem überschüssigen Hering auf und hing es über das Feuer.

Das Wasser in den Tassen kochte bereits und er gab aus einer kleinen Dose, die fast leer war, Kaffeepulver hinzu. Nachdem er nochmals Gestrüpp und Gras gesammelt hatte um das Feuer lang genug zu erhalten, bis das Kaninchen gar sein würde, füllte sich die Luft mit dem Geruch von Kaffee und garendem Fleisch. Es roch ein wenig wie zuhause, nach der Küche seines Vaters.

Das Geräusch vom Reißverschluss wiederholte sich und aus verquollenen Augen blickte ein verschlafener Thorsten auf das Feuer. „Sieht nach einem guten Morgen aus!“

„Ja, guten Morgen.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen