Ich hätte ihm gleich das Gesicht verunstalten sollen, als er auf der Party auftauchte.
Ich stand im Türrahmen und begrüßte die neuen Gäste.
„Wie heisstn du?', fragte er mich und auch wenn mir ein „Was gehtn dich das an?' auf der Zunge lag, nannte ich ihm meinen Namen. Das sollten auch die einzigen Worte bleiben, die wir den ganzen Abend wechselten. Er gehörte dem Menschentyp an, den ich am meisten hasse und verachte. Rund einen Kopf größer als ich, in verlodderten Lederhosen und eine alte Fliegerjacke und Palestinensertuch tragend, stand er vor mir, die Haare fürchterlich am Kopf angeklatscht in einem fransigen, strähnigen Haarschnitt und die Augen verdeckt vom fürchterlichsten Merkmal dieses Menschentyps: einer riesigen Fliegerbrille mit silbernen Gestell. Mal ganz davon abgesehen, dass die Sonne in Deutschland sowieso weniger scheint als irgendwo sonst, abgesehen davon, dass es der 1. Januar war und völlig vernachlässigend, dass es bereits ein Uhr nachts war, stand ihm diese Brille genauso wenig, wie sie irgendjemandem seiner Herde steht und dennoch trug er sie offenbar mit einigem Stolz auf der Nase.
Ich hätte sie ihm aus dem Gesicht schlagen und sagen sollen: „Es ist Nacht, Arschloch.' Aber da ich freundlich und so verdammt tolerant bin, was mir bisher noch nie geholfen hat, habe ich ihn eintreten lassen.
Nur der dämliche Hut hätte noch gefehlt, dann wäre er der Porky-Archetyp gewesen.
Diese Art Mensch hat ein paar sehr spezielle Eigenschaften, die sie vom normalen Menschen unterscheiden und in der Masse, in der sich dieser Menschentyp vereinigt, doch nur zu einem Schaf in einer riesigen, stetig wachsenden Herde machen. Allesamt sind sie eingebildet wie Ludwig der XIV. Diese Typen halten sich für die Größten, für das Salz der Erde. Sie glauben alles erreichen zu können und zu bekommen, was sie wollen. Leider ist das oftmals auch noch so, weil sie auf andere Menschen immernoch einen großen Eindruck machen. Außerdem sind sie intolerant und haben einen beschissenen Musikgeschmack. Einer dieser Fashion-Faschisten reicht aus um eine ganze Party zu versauen, was unser Schaf natürlich auch getan hat. Zumindest für mich.
Meine Taktik im Umgang mit den Porkies ist normalerweise, dass ich ihnen aus dem Weg gehe, sie ihren eigenen Scheiß machen lasse, und mich im Stillen über sie ärgere. Und das hatte ich eigentlich auch diesmal vor. Aber vom Glück gesegnet, wie ich es nun mal bin, hatte er es auf meine Begleitung abgesehen. Das hätte mir eigentlich klar sein müssen, als er die Wohnung betrat.
Ich stehe auf dem Hof und rauche die erste Zigarette des Abends und des neuen Jahres und als ich wieder hoch komme, sitzt er neben meiner Begleitung und gibt ihr seine Nummer. Spätestens jetzt hätte ich ihm entweder sein halb verdecktes Gesicht grün, blau und geschwollen prügeln sollen oder um des Haussegens und um meiner eigenen Verfassung willen die Party verlassen sollen. Aber als Optimist mit pessimistischen Ansichten, nehme ich natürlich noch an, alles könne sich irgendwie zum Guten wenden. Meine Begleitung hätte ihm ja zu Beispiel das Gesicht grün, blau und geschwollen prügeln können oder ihm wenigstens ein „Lass mich in Ruhe' entgegenbringen können.
Ich unterhalte mich eine Weile mit einem mehr oder weniger sympathischen Typen, der mir etwas über deutschen Hip Hop und sein Involvement in der Szene erzählt, wovon ich weder eine Ahnung habe, noch ein Interesse, daran etwas zu ändern.
Anschließend gehe ich in den Hof um meine 2. Zigarette im neuen Jahr zu rauchen.
Als ich wiederkomme, hat sich die Partygemeinde in der Küche versammelt. Ein Gemisch aus Englisch, Polnisch, Deutsch und irgendwelchem Freestyle-Mist. Aus dem Wohnzimmer dringt ‚Since I left you' von den Avalanches zu mir durch und auch wenn dieses Lied bisher immer Vorbote von Schlechtem für mich war, fühle ich mich wie immer von diesem Lied angezogen und gehe in das Wohnzimmer.
Da stehen sie.
Die Lederstiefel meiner Begleitung und die originalen schwarzen Converse Chucks von Porky.
Da liegen sie.
Der Pullover meiner Begleitung und die zerschlissene Lederjacke samt violettem Palestinensertuch von Porky.
Und da liegen sie.
Meine Begleitung und Porky liegen auf dem Bett und küssen sich.
Und dieses Arschloch hat es noch nicht einmal fertig bekommen, seine Scheiß Brille abzunehmen, nein, mehr noch, meine Begleitung hat doch tatsächlich auf einmal auch so eine Scheiß Brille auf, woher auch immer. Noch nicht auf den Augen, sondern auf dem Haaransatz, aber das ändert nichts.
In dem Moment kocht die Suppe in mir endlich über.
Unbemerkt von Begleitung plus Porky drehe ich mich um, verlasse das Zimmer und ziehe meine Schuhe, vor dem Kleiderständer stehend wieder an, ziehe den Parker, vor dem Kleiderständer liegend wieder an, streife meine Tasche, vor dem Kleiderständer liegend über, verabschiede mich vom Gastgeber und verlasse die Wohnung.
‚Since I left you' haucht gerade seine letzten Takte aus den Lautsprechern, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt.
Im Hof rauche ich die dritte Zigarette des neuen Jahres und denke bei mir, dass das Porky System einmal mehr gesiegt hat.
Sie sind zu zweit und ich bin wieder allein.
Ich werfe die Zigarette in den Gulli, trete ein paar Bierflaschen um, die jemand für mich stehen gelassen haben muss, nehme den Ipod aus der Tasche und schalte Feist mit ‚So Sorry' ein.
Ich gehe die Stufen zur U-Bahnstation Samariterstraße hinunter und bin weg,
nur noch einen Gedanken im Kopf:
Ich hätte ihm wirklich die Brille in seine Fresse einebnen sollen, als ich noch Gelegenheit dazu hatte und es niemand bemerkt hätte.
Ich und meine Scheiß Toleranz, es ist doch immer das selbe.
Ursprüngliche Veröffentlichung: 1.1.2008
Ich stand im Türrahmen und begrüßte die neuen Gäste.
„Wie heisstn du?', fragte er mich und auch wenn mir ein „Was gehtn dich das an?' auf der Zunge lag, nannte ich ihm meinen Namen. Das sollten auch die einzigen Worte bleiben, die wir den ganzen Abend wechselten. Er gehörte dem Menschentyp an, den ich am meisten hasse und verachte. Rund einen Kopf größer als ich, in verlodderten Lederhosen und eine alte Fliegerjacke und Palestinensertuch tragend, stand er vor mir, die Haare fürchterlich am Kopf angeklatscht in einem fransigen, strähnigen Haarschnitt und die Augen verdeckt vom fürchterlichsten Merkmal dieses Menschentyps: einer riesigen Fliegerbrille mit silbernen Gestell. Mal ganz davon abgesehen, dass die Sonne in Deutschland sowieso weniger scheint als irgendwo sonst, abgesehen davon, dass es der 1. Januar war und völlig vernachlässigend, dass es bereits ein Uhr nachts war, stand ihm diese Brille genauso wenig, wie sie irgendjemandem seiner Herde steht und dennoch trug er sie offenbar mit einigem Stolz auf der Nase.
Ich hätte sie ihm aus dem Gesicht schlagen und sagen sollen: „Es ist Nacht, Arschloch.' Aber da ich freundlich und so verdammt tolerant bin, was mir bisher noch nie geholfen hat, habe ich ihn eintreten lassen.
Nur der dämliche Hut hätte noch gefehlt, dann wäre er der Porky-Archetyp gewesen.
Diese Art Mensch hat ein paar sehr spezielle Eigenschaften, die sie vom normalen Menschen unterscheiden und in der Masse, in der sich dieser Menschentyp vereinigt, doch nur zu einem Schaf in einer riesigen, stetig wachsenden Herde machen. Allesamt sind sie eingebildet wie Ludwig der XIV. Diese Typen halten sich für die Größten, für das Salz der Erde. Sie glauben alles erreichen zu können und zu bekommen, was sie wollen. Leider ist das oftmals auch noch so, weil sie auf andere Menschen immernoch einen großen Eindruck machen. Außerdem sind sie intolerant und haben einen beschissenen Musikgeschmack. Einer dieser Fashion-Faschisten reicht aus um eine ganze Party zu versauen, was unser Schaf natürlich auch getan hat. Zumindest für mich.
Meine Taktik im Umgang mit den Porkies ist normalerweise, dass ich ihnen aus dem Weg gehe, sie ihren eigenen Scheiß machen lasse, und mich im Stillen über sie ärgere. Und das hatte ich eigentlich auch diesmal vor. Aber vom Glück gesegnet, wie ich es nun mal bin, hatte er es auf meine Begleitung abgesehen. Das hätte mir eigentlich klar sein müssen, als er die Wohnung betrat.
Ich stehe auf dem Hof und rauche die erste Zigarette des Abends und des neuen Jahres und als ich wieder hoch komme, sitzt er neben meiner Begleitung und gibt ihr seine Nummer. Spätestens jetzt hätte ich ihm entweder sein halb verdecktes Gesicht grün, blau und geschwollen prügeln sollen oder um des Haussegens und um meiner eigenen Verfassung willen die Party verlassen sollen. Aber als Optimist mit pessimistischen Ansichten, nehme ich natürlich noch an, alles könne sich irgendwie zum Guten wenden. Meine Begleitung hätte ihm ja zu Beispiel das Gesicht grün, blau und geschwollen prügeln können oder ihm wenigstens ein „Lass mich in Ruhe' entgegenbringen können.
Ich unterhalte mich eine Weile mit einem mehr oder weniger sympathischen Typen, der mir etwas über deutschen Hip Hop und sein Involvement in der Szene erzählt, wovon ich weder eine Ahnung habe, noch ein Interesse, daran etwas zu ändern.
Anschließend gehe ich in den Hof um meine 2. Zigarette im neuen Jahr zu rauchen.
Als ich wiederkomme, hat sich die Partygemeinde in der Küche versammelt. Ein Gemisch aus Englisch, Polnisch, Deutsch und irgendwelchem Freestyle-Mist. Aus dem Wohnzimmer dringt ‚Since I left you' von den Avalanches zu mir durch und auch wenn dieses Lied bisher immer Vorbote von Schlechtem für mich war, fühle ich mich wie immer von diesem Lied angezogen und gehe in das Wohnzimmer.
Da stehen sie.
Die Lederstiefel meiner Begleitung und die originalen schwarzen Converse Chucks von Porky.
Da liegen sie.
Der Pullover meiner Begleitung und die zerschlissene Lederjacke samt violettem Palestinensertuch von Porky.
Und da liegen sie.
Meine Begleitung und Porky liegen auf dem Bett und küssen sich.
Und dieses Arschloch hat es noch nicht einmal fertig bekommen, seine Scheiß Brille abzunehmen, nein, mehr noch, meine Begleitung hat doch tatsächlich auf einmal auch so eine Scheiß Brille auf, woher auch immer. Noch nicht auf den Augen, sondern auf dem Haaransatz, aber das ändert nichts.
In dem Moment kocht die Suppe in mir endlich über.
Unbemerkt von Begleitung plus Porky drehe ich mich um, verlasse das Zimmer und ziehe meine Schuhe, vor dem Kleiderständer stehend wieder an, ziehe den Parker, vor dem Kleiderständer liegend wieder an, streife meine Tasche, vor dem Kleiderständer liegend über, verabschiede mich vom Gastgeber und verlasse die Wohnung.
‚Since I left you' haucht gerade seine letzten Takte aus den Lautsprechern, als die Tür hinter mir ins Schloss fällt.
Im Hof rauche ich die dritte Zigarette des neuen Jahres und denke bei mir, dass das Porky System einmal mehr gesiegt hat.
Sie sind zu zweit und ich bin wieder allein.
Ich werfe die Zigarette in den Gulli, trete ein paar Bierflaschen um, die jemand für mich stehen gelassen haben muss, nehme den Ipod aus der Tasche und schalte Feist mit ‚So Sorry' ein.
Ich gehe die Stufen zur U-Bahnstation Samariterstraße hinunter und bin weg,
nur noch einen Gedanken im Kopf:
Ich hätte ihm wirklich die Brille in seine Fresse einebnen sollen, als ich noch Gelegenheit dazu hatte und es niemand bemerkt hätte.
Ich und meine Scheiß Toleranz, es ist doch immer das selbe.
Ursprüngliche Veröffentlichung: 1.1.2008
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